Skip to content

“Das Problem der IT-Altlasten wird in 15 Jahren viel größer sein”

sagt Victor Klaren, Chief Visionary Officer und Mitbegründer von Thinkwise.

"Wenn man von Legacy-Software spricht, denkt man schnell an 20 Jahre alte Software. Was wir aber nicht wissen, ist, dass jedes Jahr mehr Legacy-Software hinzukommt. Wenn Sie also denken, dass diese ‘IT-Altlasten’ bereits ein großes Problem sind, dann irren Sie sich." Das sagt Victor Klaren, Chief Visionary Officer und Mitbegründer des niederländischen Software-Anbieters Thinkwise.

Wie groß das Problem genau ist, lässt sich jedoch nur schwer messen, denn über veraltete Software-Lösungen, die insgesamt in Unternehmen eingesetzt werden, sind keine zuverlässigen Zahlen bekannt. "Aber es wird immer mehr programmiert. Das Problem wird also in 15 Jahren viel größer sein. Ich vergleiche es manchmal mit CO2. Wir sind jetzt dabei, den Anstieg der Emissionen zu verlangsamen. Hier ist das nicht einmal der Fall, denn wir verlangsamen gar nichts. Es ist eine Denkweise, die sich ändern muss.

Es liege auch nicht immer an den IT-Anwendungen selbst, betont Klaren. "IBM sorgt zwar dafür, dass die Programmiersprache RPG weiter existiert, aber die Anwendungswartung auf Mainframes wird immer schwieriger, weil die Leute, die die Wartung übernehmen sollten, nicht mehr da sind. Also müssen manchmal Leute geschult werden oder die Systeme werden in die Cloud verlagert."

Der neue Legacy-Beschleuniger

"SAP R/3 ist eigentlich auch eine Art Legacy.  SAP S/4HANA ist nicht kompatibel und Anpassungen können nicht vorgenommen werden. Man ist also ohnehin auf eine neue Implementierung angewiesen. Bei Anpassungen hat man es oft mit noch mehr Altlasten zu tun. Aber Low Code scheint jetzt der neue Legacy-Beschleuniger zu sein. Sie können die Benutzeroberfläche schick aussehen lassen, aber mit etwas Pech haben Sie zwei Wartungsschichten darunter. Das Gleiche gilt für die Automatisierung robotergestützter Prozesse. Das ist eine weitere Schicht. Und ein Zeichen dafür, dass man das Kernsystem nicht ändern kann. Es ist ein Notpflaster. Das sieht man oft bei Legacy-Systemen. Diese Art von Hüllen. Eine schönere Schnittstelle oder ein Input für einen anderen Input."

Klaren ist der Überzeugung, dass Legacy-Systeme für Unternehmen mit verschiedenen Risiken verbunden sind. "Bei Legacy-Systemen fließt normalerweise viel Geld in die Wartung. Man sieht dann oft, dass nur 20 Prozent des Budgets in die Wertschöpfung fließen. Als Unternehmen wird man dann automatisch empfindlich gegenüber den Disruptoren in seinem Markt. Auch die Sicherheit kann empfindlich sein, weil die notwendigen Aktualisierungen nicht durchgeführt werden können. Es wird viel weggeschaut. Bis die Hölle losbricht. Zum Beispiel, wenn ein Konkurrent anfängt, Dinge anders zu machen, oder Leute mit dem nötigen Fachwissen über die alten IT-Systeme das Unternehmen verlassen. Dann gibt es plötzlich ein knallhartes Datum, bis zu dem ein System ersetzt werden muss", erklärt er.

Die Macht des Wandels

Hinzu kommt, dass sich der Wandel beschleunigt. "Es ist schwierig, in die Zukunft zu blicken. Von dem dänische Physiker Niels Bohr soll die oft zitierte, treffend-ironische Aussage stammen, dass es schwer sei, Vorhersagen zu treffen, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Man kann jedoch eine Prozessanalyse machen, aber man will schließlich auch das technologische Potenzial haben, um für künftig notwendige Veränderungen gut gerüstet zu sein. Je nach Branche ist das seit Corona anders. Aber man weiß nicht, welche IT-Architektur in fünf oder zehn Jahren gebraucht wird. Das wissen wir auch nicht. Aber wenn man eine bestimmte Architektur jetzt schon festschreibt, verpasst man mit Sicherheit die Veränderungskraft. Auch die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt ist ein weiteres Risiko. Die heutige Generation kennt keine Branche ohne Arbeitsmarktknappheit. Sie kann sich also aussuchen, ob sie montags oder mittwochs arbeiten will. Die Hyperautomatisierung wird häufig eingesetzt, um diese Knappheit zu beheben. Das ist der nächste Schritt."

Das Problem der Altlasten ist laut Klaren akzeptiert. "Wir sollten nicht darüber reden. Für die IT-Branche ist das eigentlich wunderbar, denn alle zehn Jahre kann man alles neu aufbauen. Für ein Unternehmen hat das wirklich große Auswirkungen. Wenn man das loswird, gewinnt man Zeit, aber auch Freiheit. Denn das Legacy-Erbe (sprich : IT-Altsysteme’ hemmt die Fähigkeit, sich an künftige Veränderungen anzupassen und sie zu antizipieren. Dadurch kann man nicht der ‘Disruptor’ sein, wenn sich etwas auf dem Markt ändert. Es ist immer besser, die Nase vorn zu haben. Das sind oft die Kunden, die sich an Thinkwise wenden. Oft sind die Systeme einzigartig, oft ist die DNA des Unternehmens in sie eingewoben und sie wollen das bewahren, während Sie ein neues, modernes System entwickeln. Unsere Kunden sind oft die Visionäre, sie wollen etwas bewegen."